Ein neuerlicher Extrakt aus dem Medienblog Semdestoerung.de
Alle Jahre wieder – seit 2019 – steht die Frauenzeitschrift Emma um die Journalistin und Frauenrechtlerin Alice Schwarzer vor einer entscheidenden Frage: Wer ist der allergrößte Macho im Land? Wessen männliches und frauenfeindliches Gehabe fällt komplett aus der Zeit? Wessen Hohlraum hinter der maskulinen Stirn bräuchte dringend eine sinnstiftende Füllung?
Somit musste auch 2024 ein „würdevoller“ Nachfolger für die bisherigen Preisträger gefunden werden, unter denen sich so „brillante“ Köpfe wie Papst Franziskus, Bundesfinanzminister Christian Lindner, ZDF-„Satiriker“ und Beewashing-Experte Jan Böhmermann oder Irokesen-Fan Sascha Lobo befinden. Dieses Jahr traf die feministische Jury eine sehr bemerkenswerte Entscheidung – dazu gleich mehr…
Der Name der Emma-Auszeichnung darf als ironische Anspielung auf den seit 1985 vergebenen Preis des US-amerikanischen People Magazine verstanden werden, dessen Redaktion jeweils zum Ende eines Jahres kundtut, wen sie aktuell für den „Mann mit dem größten Sexappeal“ hält – den „Sexiest Man Alive“. Dazu zählen bislang illustre Persönlichkeiten wie Johnny Depp, Brat Pitt und George Clooney (alle drei wurden zweimal gekürt), aber auch eher seltsam anmutende XY-Gestalten wie Mel Gibson, Tom Cruise oder Dwayne Johnson. Offenbar lässt sich nicht nur über Geschmack, vielmehr auch über sexuelle Ausstrahlung vortrefflich streiten.
2024 scheint der Emma-Jury die Entscheidung nicht leicht gefallen zu sein – auch wenn Gegenteiliges auf der Emma-Homepage verlautbart wird -, denn der diesjährig Geehrte ist eine Persönlichkeit, die sicherlich kaum jemand außerhalb der Jury ernsthaft in Betracht gezogen haben dürfte. So unerwartet der ausgezeichnete "ganze Kerl - und was für einer!“, so außergewöhnlich die Begründung, die allein für sich schon eine journalistische und stilistische Perle darbietet. Ein gelungener Rundumschlag voller Ironie, gespickt mit Seitenhieben, eine entlarvende "Lobhudelei", die kein gutes Haar am längst ergrauten Preisträger lässt und nachfolgend in Auszügen wiedergegeben wird.
Ladies and Gentlemen, liebe Lesende, machen wir es kurz und schmerzhaft - Hauptsache, die Kurzhaarfrisur steht immer noch (stramm): The Sexist Man Alive 2024 ist allseits bekannt, berühmt-berüchtigt, geduldet wie gelitten und niemand Geringeres als…
Marie-Agnes Strack-Zimmermann
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Sie ist eigentlich ein Traumfall für EMMA. Ein wahres feministisches Role Model. Mutter, Kinderbuch-Vertreterin im Ruhestand – und heute berühmt-berüchtigte Spitzenpolitikerin. Vor allem aber ist sie ein Paradefall gegen die grassierende Transideologie. Denn diese Frau beweist, dass Frau weder den Vornamen wechseln, noch Hormone schlucken, geschweige denn sich die Brüste abnehmen lassen muss, um ein ganzer Kerl zu sein. Und was für einer!
Früher, vor der Frauenbewegung, hätte man das keiner Politikerin durchgehen lassen. Da war es den Frauen im Bundestag sogar noch verboten, Hosen zu tragen – oder gar mit Herrenhaarschnitt und kerliger als ein John Wayne im Taschenformat aufzutreten. Wie gesagt, ein feministischer Paradefall. Wäre da nicht das dröhnende Waffengerassel.
Die Helm-Frisur sitzt, das Feindbild auch. Mit Ray-Ban-Brille und hochgestelltem Kragen ist sie allzeit bereit zum Abheben: unsere „Eurofighterin“ (Wahlslogan FDP). Ganz wie ihr offensichtliches Vorbild Tom Cruise (als Kampfpilot „Maverick“ in „Top Gun“). Der hatte es auch auf russische MiGs abgesehen. Im Cockpit hockt sie wie er. Zwei, die weder Tod noch Teufel fürchten. Take my breath away.
Niemand streitet in Deutschland so penetrant pro Waffen für die Ukraine und gegen Friedensverhandlungen wie sie: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, 66 Jahre alt, Mutter von drei Kindern, Großmutter von drei Enkelkindern. Mit dem T-Shirt „Taurus für die Ukraine – zusammen bis zum Sieg“ posierte sie auf Social Media. Zusammen bis zum totalen Sieg? Keine Talkshow ohne den heroischen Haudegen. „In jeder Talk-Show ein Gewinn, weil ich die Allergeilste bin“, lautete die Selbsteinschätzung des Horrorclowns beim „Orden wider den tierischen Ernst“ in der Karnevalsbütt in Aachen.
Im Trio Infernale lässt sie Roderich Kiesewetter und Anton Hofreiter aussehen wie zwei verklemmte Schützenfest-Brüder. Gemeinsam würden die drei Russland am liebsten sofort eigenhändig in die Luft jagen.
Der Abflug der Maulheldin nach Brüssel ließ so manchen in Berlin aufatmen. Im EU-Parlament ist die Düsseldorferin nun Vorsitzende des Unterausschusses für Verteidigung. Ihr „Gefechtshelm“, eine Eigenanfertigung aus den USA, ist schon ausgepackt, auf dem Schreibtisch steht ein Modell des Eurofighters, an der Wand hängt ein Poster mit Snoopy im Panzer, ihre Arbeitsmappe trägt Tarnfarbe. Im Ernst.
Im Wahlkampf auf dem Weg nach Brüssel hatte sie mit drohendem Vampir-Blick von den Plakaten gestarrt. Nur die Sache mit der „Oma Courage“, die lief irgendwie suboptimal. Ist die Werbeagentur der FDP der Spitzenkandidatin wirklich wohlgesonnen? Schließlich: Welche Politikerin will schon als „Oma“ tituliert werden? Und die Werber wussten scheinbar auch nicht, dass Bertolt Brechts „Mutter Courage“ keine Frau mit Courage, sondern eine niederträchtige Kriegsprofiteurin ist. Eine, die bis zuletzt den Krieg befeuert und selbst ihre Kinder dafür opfert. Oder dachten die PR-Strategen etwa: Passt?! Der Verein Lobbycontrol kritisierte die Mitgliedschaft von Strack-Zimmermann beim „Förderkreis Deutsches Heer“ sowie der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ – zwei Organisationen, die der Rüstungsindustrie sehr nahestehen. Und dann auch noch ihre örtliche Nähe zu Rheinmetall in Düsseldorf und Thyssenkrupp in Essen …
Doch während Deutschland und Europa, ja inzwischen sogar die USA allmählich kalte Füße kriegen, ist Strack-Zimmermann weiterhin stramm entschlossen: „Das Ziel ist die Wiederherstellung der ganzen Ukraine. Das Ziel ist, Wladimir Putin in Den Haag vor Gericht zu stellen.“ Koste es, was es wolle. Und es kostet viel.
Doch wie ist Marie-Agnes Strack-Zimmermann eigentlich zum Maverick aus Düsseldorf-Niederkassel geworden?
2013 wird die Newcomerin zur stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-FDP gewählt. Zwei Jahre später wird sie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses.
Der Ukraine-Krieg wird für Strack-Zimmermann das, was Corona für Karl Lauterbach war: ein Karriere-Booster. Noch dazu flankiert von einer Rüstungsindustrie, die sich nach bald drei Jahren Krieg heute das Klopapier vergolden lassen kann.
In den Koalitionsverhandlungen hatte die kämpferische Liberale sich nach Christine Lambrechts raketenhaftem Abgang schon mal als Verteidigungsministerin in Stellung gebracht. Doch: Sprüche klopfen kann sie, aber wie dem Grauen wirklich ein Ende gemacht werden könnte, davon hat sie keine Ahnung – und will es auch gar nicht. Ganz wie die grüne Außenministerin.
Hat die krawallige Düsseldorferin jemals etwas für die Opfer des Krieges getan? Hat sie sich je für die vergewaltigten Frauen engagiert, die sie so gern als „Argument“ für Waffenlieferungen hervorzerrt? Hat sie überhaupt die leiseste Ahnung davon, wie lange die Waffe Vergewaltigung weltweit schon im Einsatz ist?
Nein. Aber sie wirft zum Beispiel Alice Schwarzer vor, sich nicht für die vergewaltigten Frauen im Krieg zu interessieren. Geht’s noch? Gerade die setzt sich – lange als Einzige – seit der ersten EMMA-Ausgabe 1977 für Kriegsopfer und Vergewaltigte ein. Und EMMA berichtete seit April 2022 immer wieder über die Kriegsvergewaltigungen in der Ukraine.
Machen wir es kurz. Reservist Strack-Zimmermann: Vortreten! Hiermit ernennen wir Sie zum „Sexist Man Alive 2024“. Ihr Preis wartet im EMMA-Hauptquartier in Köln. EMMA gratuliert!
Nachtrag: Der „Preisträger-Reservist“ hat die Auszeichnung angenommen. Die selbst ernannte „Oma Courage“ will selbige angeblich sogar persönlich im "EMMA-Hauptquartier" abholen bzw. dort in Empfang nehmen.
Auf der Plattform X schreibt Strack-Zimmermann: Ich fühle mich sehr geehrt und nehme diese Auszeichnung an. Wann erfolgt die Übergabe? Dass sich ein ewiggestriges Blatt wie EMMA so an mir abarbeitet, zeigt, dass ich auf dem politisch richtigen Weg bin. Beweist die Auszeichnung doch auch den tiefen intellektuellen Abstieg von Alice Schwarzer, die heute ausgerechnet das Leid von Frauen durch Kriegsverbrechen negiert, statt ihnen zu helfen.</a>
Also, „auf zum letzten Gefecht“, wie die FDP-Politikerin an anderer Stelle auf X über Emma bemerkt. Ja, dieser Preis steht ihr - oder doch lieber ihm? - wahr- wie wehrhaft gut zu Gesicht.
In den kommenden Wochen und Monaten finden folgende Wahlen und Abstimmungen statt – zu allen Terminen werden voraussichtlich Märkte aufgesetzt:
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