Langsam lichtet sich der Nebel über den Ergebnissen der Wahlen zum Repräsentantenhaus: Bei fünf Sitzen zeichnet sich momentan noch nicht ab, an welche Partei sie fallen; die Demokraten müssten alle fünf holen, dann würden sie ihre Mehrheit verteidigen.
New House math:
Dem called/likely (213), incl. #AKAL, #CA09, #CA21, #CA47, #CA49, #CO08, #ME02, #OR06
GOP called/likely (217): incl. #CA03, #CA27, #CA45, #CO03, #NY22, #OR05
Toss Ups (5): #AZ01, #AZ06, #CA13, #CA22, #CA41
Dems need to run the table on the last five for 218.
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Die größte Überraschung, seit ich angefangen habe, amerikanische Politik zu verfolgen, war sicher Trumps Wahlsieg 2016, der zweite Platz (noch vor Obamas Sieg über Clinton 2008) geht aber an diese Midterms. In den Zwischenwahlen gibt's ja fast immer ordentlich Kloppe für die Regierungspartei:
Why The President’s Party Almost Always Has A Bad Midterm | FiveThirtyEight
Nimmt man jetzt noch das Abschneiden im Senat dazu, wo kein Sitz verloren, vielleicht am Ende gar einer gewonnen worden sein wird, dann befindet sich Biden (für mich unglaublich überraschend) plötzlich in diesem kleinen Zirkel:
Biden’s first midterm performance for president is one of the best in modern history:
Only 1934 (FDR), 1962 (JFK), 2002 (W Bush) did President’s party not lose Senate seats and less than 10 House seats.
https://twitter.com/joshkraushaar/status/1591188065758085120
Neben den Legenden Roosevelt und Kennedy also ein Joe Biden, dessen Zustimmungswerte so aussehen:
How Popular Is Joe Biden? | FiveThirtyEight
Und diese Midterms finden in einem Jahr außergewöhnlich hoher Inflation statt, was weltweit Regierungen wanken lässt:
US-Inflation-Rate-August-2022.png (1000×500) (finasko.com)
Und vor diesem Hintergrund ein solches Abschneiden der GOP bei den Midterms? Das ist tatsächlich unglaublich, eine (mir natürlich willkommene) Riesenüberraschung.
Zur Einordnung:
Das war natürlich keine "blaue Welle", aber in vielerlei Hinsicht historisch. Der Sieg Bidens war nicht knapp (7-8 Millionen Stimmen Unterschied, gleiche Wahlmännerzahl wie Trump 2016 gegen Clinton), aber das hätte mit etwas Pech in drei Swing States auch anders ausgehen können. Die Dems haben 2020 schon Abgeordnete im House verloren und hatten danach nur eine recht knappe Mehrheit, heißt: Sie hatten also weniger zu verlieren als z.B. Obama 2010.
Was jetzt neu war: Die für Dems außerordentlich hohe Mobilisierung va. weiblicher aber auch junger Wähler während den Midterms, der enge Wahlkampf (teilweise künstlich herbeigeführt durch schlechte bzw. Fake-Umfragen und den Selbstbetrug der rechten Presse), Donald Trump, die Abtreibungsentscheidung des SC und einige gute Senats- bzw. Governorkandidaten (Whitmer, Shapiro, Hassan, Murray, Ryan, Fetterman, L. Kelly und M. Kelly), die in ihren jeweiligen Staaten viele Wähler zum Wählen gebracht haben.
Und, was z.B. in Florida und New York (und California auch) nicht gut geklappt hat: Das ground game, Graswurzelinitiativen und der Fokus auf die"kleineren" Rennen. Diesbezüglich hier wieder etwas historisches:
Noch nie seit 1934 hat die Regierungspartei keine einzige Staatskammermehrheit (House und Senat) auf Bundesstaatenebene verloren, und die Dems haben umgekehrt einige dazugwonnen.
Democrats defended their state-level majorities in Massachusetts and Maryland and won governor seats left open after Republican retirements, securing a "trifecta" in both states. Helmed by a historic $50M investment from the DLCC, they also kept the Maine legislature, the New Mexico and Colorado state Houses, and secured a supermajority in both chambers in Vermont (which has a GOP governor).
https://www.axios.com/2022/11/11/state-legislatures-governors-democrats
Die GOP hat diesbezüglich immer noch mehr Macht in den Bundesstaaten, aber die Dems haben inzwischen begriffen, dass z.B. Abtreibungsrechte nur noch auf Staatenebene verteidigt werden können, und dafür braucht es Mehrheiten in den Staatsparlamenten, Senaten und staatlichen Verfassungsgerichten. Und wenn es eine lebendige Anhängerschaft auf den unteren Ebenen gibt, hilft das auch den Kandidaten im US-Senat und US-House.
Nikolaus verteilt den letzten Senatssitz. Die Spannung ist nicht mehr so hoch wie 2020, als es der entscheidende für die Senatsmehrheit war, aber es wäre ein wichtiger 51. Sitz für die Dems, die dann mehr Chancen hätten, eine/n der wankelmütigen Senatoren aus West Virginia bzw. Arizona zu überstimmen, wenn die ihre regelmäßigen Erpressungsversuche starten. Und es könnte auch wichtig für die Senatsmehrheit 2024 sein.
In unserem Markt führt aktuell der Demokrat Warnock, er lag auch bei der Wahl knapp 1% vorne. Viel hat sich ansonsten nicht getan:
Der haushoch gewinnende Governor Kemp wirbt für Herschel Walker, aber ob er alle seine Wähler überzeugen kann, den Vollpfosten auch zu wählen?
Warnock macht wieder Werbung mit seinem Beagle. Hätte er ihn doch schon vor dem 8.11. eingesetzt, dann bräuchte es die Stichwahl vielleicht nicht.
https://twitter.com/ReverendWarnock/status/1593982438988021760?
Interessante GOP-Strategie: Man bekniet den Ex-Präsidenten Donald Trump, doch bitte bitte keinen Wahlkampfauftritt in Georgia zu machen und so mit seiner Durchgeknalltheit demokratische Wähler zu mobilisieren (als ob Herschel Walker dafür nicht schon ausreichend irre wäre). Trump könnte ev. sogar darauf verzichten, wenn - ja wenn - auch sein interner floridianische Widersacher DeSantis auch drauf verzichtet. Also gibt es wohl entweder keinen dieser Herren mit einem Wahlauftritt in Georgia, oder aber beide kommen und bewerfen sich mit Schmutz.
Warnock hat diese Probleme nicht, er empfängt Ex-Präsident Obama am 1.12.
Quote of the day:
Herschel Walker will now have more time to spend with his families. Pray for their safety.
https://twitter.com/AdamParkhomenko/status/1600340496445976576?
Edit:
Relativ gute Prognose von Wafi: 51% zu 49%.
Endergebnis wohl 51,4xx zu 48,5xx.
Der Wafi-Abstand zwischen den Kandidaten war 2%, real wohl 2,8xx %. 538 hatte im Umfragedurchschnitt Warnock mit 3,9% vorne. Der RCP-Durchschnitt lag bei 3,7%.
Das dürfte es dann wohl (hoffentlich!) für ihn (Trump) gewesen sein.
Kann mir nicht vorstellen, dass er die republikanischen Primaries noch gewinnen kann, es sei denn die werden - wie teilweise bei den jüngsten Midterms - von demokratischen U-Booten geflutet; schliesslich ist Trump der Traumgegenkandidate der Esel.
Das dürfte es dann wohl (hoffentlich!) für ihn (Trump) gewesen sein.
Kann mir nicht vorstellen, dass er die republikanischen Primaries noch gewinnen kann, es sei denn die werden - wie teilweise bei den jüngsten Midterms - von demokratischen U-Booten geflutet; schliesslich ist Trump der Traumgegenkandidate der Esel.
Das kommt darauf an, wie viele Nicht-Trump-Kandidaten antreten. Die Republikaner haben zumeist Winner-Takes-all-Primaries und da könnte er sich durchaus mit ca. 30% durchsetzen.
Das kommt darauf an, wie viele Nicht-Trump-Kandidaten antreten. Die Republikaner haben zumeist Winner-Takes-all-Primaries und da könnte er sich durchaus mit ca. 30% durchsetzen.
Das sehe ich auch so.
Man kann nicht erwarten, dass es den republikanischen Anhängern mehrheitlich zu bunt wird, dafür hat sich Trump schon jede mögliche Scheiße erlaubt, die vorstellbar ist und für 99,9% aller anderen Politiker der Welt das politische Aus bedeutet hätte. Um Trump loszuwerden, gäbe es aber Möglichkeiten:
a) Impeachment, dann dürfte er nie wieder antreten (wurde 2021 verpasst und ist jetzt praktisch nicht mehr drin, bei einem GOP-House und genügend trumpgläubigen Senatoren)
b) Änderung der Primaries, kein WTA, mehr Richtung ranked-choice, aber das ist bei den Reps ein Ding des Teufels, und es ist reichlich spät, jetzt noch was zu ändern
c) Schnelle Anklage und am besten auch Inhaftierung von Trump
d) Fox-News lässt Trump fallen und agitiert gegen ihn so, wie es das gegen Biden und die Dems macht; dann müsste Fox aber wohl auch ein Drittel seiner Show-Leute entlassen, ganz vorne T. Carlson und S. Hannity, welche die besten Quoten bringen. Der im hohen Maße rassistische Carlson ist 100%ig auf der Seite von Trump und Putin, ihm wird ein Schwenk zu Desantis kaum gelingen.
e) Alles auf Desantis. Der wird jetzt zugeschissen mit Geld und Liebeserklärungen. Die Floridianische Verfassung wird extra wegen ihm geändert, damit auch ein amtierender Governor US-Präsidentschaftskandidat werden darf, ohne sein Amt abgeben zu müssen. Er wird dann schnell zum einzigen Gegenspieler gegen Trump aufgebaut und kann die Widersacher vereinigen. Oder eben auch nicht, dann wird Trump wieder Kandidat, selbst weniger als 30% könnten genügen. Desantis ist kein guter Sprecher und Debattierer, in TV-Duellen hätte er Nachteile, va. gegenüber Trump.
Nicht unwichtig: Wie steht es um die physische und psychische Gesundheit von Trump. Er ist zuletzt kaum noch öffentlich aufgetreten und wirkt irgendwie "low energy" bzw. "sleepy", das fällt auch seinen Anhängern auf. Er hat auch kein politisches Programm mehr (nicht mal mehr die Mauer) und die republikanischen Kulturkämpfe führt jetzt Desantis. Gut möglich, dass er durch die andauernden juristischen Niederlagen mürbe gemacht wird, auch finanziell.
Noch keine Woche eine Mehrheit ohne VP: Und schon ist Kyrsten Sinema keine Demokratin mehr und hat sich zur Unabhängigen erkärt.
Sinema bleibt als Unabhängige beim demokratischen Caucus (wie Sanders und King) und behält dafür ihre Ausschusspöstchen damit sind es 51 und es ändert sich praktisch nichts, bis zu den Primaries vermutlich.
In den kommenden Wochen und Monaten finden folgende Wahlen und Abstimmungen statt – zu allen Terminen werden voraussichtlich Märkte aufgesetzt:
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