Viele haben immer noch den glühend überzeugten, aber auch gelegentlich amateurhaft wirkenden Kandidaten aus dem Jahr 2008 vor Augen, wenn sie an Paul denken. Einen Blick wert ist da sein neues Video, das zeigt, wie viel professioneller sein Wahlkampfteam inzwischen geworden ist, auch wenn der Kandidat selbst es noch nicht schafft, mal einen wirklich passenden Anzug zu tragen.
Pauls neues Video ist ein zweieinhalbminütiger gnadenloser Angriff auf Gingrich, exzellent produziert, sicher einer der handwerklich besten Wahlwerbefilmchen des Jahres:
Nur Paul selbst muss noch etwas an der Medientauglichkeit feilen: Jüngst gefragt, ob er wirklich Präsident werden wolle, zuckte er nur mit Schultern: "Sicher!" Auf die nächste Frage, warum er das Amt denn anstrebe, antwortete er, das sei doch offensichtlich, und verweigerte weitere Auskünfte. Verständlich, aber auch dumme Fragen sollte man im Allgemeinen wohl beantworten.
In einem berühmten Interview (79? 80?) war es genau diese Frage nach den Gründen für seine Kandidatur, auf die Ted Kennedy nichts zu sagen wusste; mancher glaubt, dieser daraufhin ständig wiederholte Moment der Sprachlosigkeit habe ihn den Vorwahlsieg gegen Carter gekostet.
Fernsehwerbespot von Paul, ziemlich hip, erinnert aber auch daran, dass Pauls innenpolitische Agenda ähnlich radikal ist wie seine außenpolitische. Für manche eher linken Bewunderer aber deutlich schwerer verdaulich:
http://www.youtube.com/watch?v=MXCZVmQ74OA&feature=player_embedded
Für manche eher linken Bewunderer aber deutlich schwerer verdaulich
Linke Ron Paul Bewunderer? Gibt es denn solch widersprüchliche Charaktäre? Was will ein Linker mit einem libertären Präsidenten?
Nun, die Aussagen über den "militärisch-industriellen Komplex", den Palästina-Konflikt oder eine Heroinfreigabe treffen bei manchen Linken durchaus auf Wohlwollen und werden wohl auch in den Medien vergleichsweise oft thematisiert (obwohl Paul insgesamt da ja sehr stiefmütterlich behandelt wird), öfter wohl als seine radikalen Aussagen zum Katastrophenschutz. Die Forderung, alle Staatsaufgaben zu streichen, die nicht in der Verfassung vorgesehen sind, hört sich auch nur solange überzeugend an, wie niemand mal wirklich nachschaut, was dann wegfiele. Aber durch seinen Außenseiterstatus wird ein solcher Satz nicht groß hinterfragt.
Wer sich ausführlicher mit Pauls Positionen und der dahinter stehenden Philosophie auseinandersetzt, sieht dann natürlich schnell, dass diese etwas ganz eigenes ist, links auf keinen Fall.
In den Achzigern und Neunzigern gab Paul einen regelmäßigen "Newsletter" heraus, mit stellenweise ganz pikanten Statements:
The tenor of Paul's newsletters changed over the years. The ones published between Paul's return to private life after three full terms in congress (1985) and his Libertarian presidential bid (1988) notably lack inflammatory racial or anti-gay comments. The letters published between Paul's first run for president and his return to Congress in 1996 are another story—replete with claims that Martin Luther King "seduced underage girls and boys," that black protesters should gather "at a food stamp bureau or a crack house" rather than the Statue of Liberty, and that AIDS sufferers "enjoy the attention and pity that comes with being sick."
http://reason.com/archives/2008/01/16/who-wrote-ron-pauls-newsletter
Solche Sprüche hat er hinter sich gelassen und auch die Medien interessieren sich nicht allzu sehr für die rhetorischen Leichen im Keller des Außenseiters, auch wenn gelegentlich mal die Stirn darüber gerunzelt wird, dass Paul die föderale Bürgerechtsgesetzgebung der Sechziger immer noch kritisch sieht, als Eingriff in die Rechte der Einzelstaaten.
http://newtjudgesyou.tumblr.com/page/4
Es ist nicht Romney, sondern Ron Paul, der Romneys Nemesis Gingrich am lautesten kritisiert, jetzt in Iowa sogar per Fernsehspot; gar nichts Neues übrigens: Bereits Perry war der Libertäre hart angegangen. Romney hat er zwar auch schon kritisiert, aber bei weitem nicht in dieser Schärfe.
Sollte Gingrich in Iowa oder New Hampshire hinter den Erwartungen zurückbleiben, dann der unter Druck geratene Mitt Romney dem oft belächelten Außenseiter Paul für dessen Schützenhilfe zu danken. Ob Newt das Lachen dann vergeht?
http://gop12.thehill.com/2011/12/paul-charges-gingrich-with-hyprocrisy.html
Ron Paul steht ja in dem Ruf, gerade Nerds anzusprechen; so mancher seiner Fans mag ne heimliche Schwäche für Sci-Fi aller Art haben:
http://images.wikia.com/memoryalpha/de/images/d/d1/Datas_Hologramm_von_Yar.jpg
Den Eindruck erweckt zumindest sein neuestes Web-Ad, sehr nett im Science-Fiction-Stil gehalten und gleichzeitig mal wieder eine harte Attacke gegen Gingrich. Sehenswert.
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=hRdqGKA782A
Paul says he believes that the federal government (“the wealth-extracting leviathan state”) shouldn’t be doing anything that’s not specifically enumerated in the Constitution, which once caused him to vote against giving a Congressional medal to Mother Teresa.
He doesn’t really believe in global warming, but, even if he did, he doesn’t think government is smart enough to be able to do anything about it.
He also doesn’t believe in, well, let’s see: gun control, the death penalty, the C.I.A., the Civil Rights Act, prosecuting flag-burners, hate crime legislation, foreign aid, the military draft under any circumstances, campaign finance reform, the war on drugs, the war on terror and the war on porn. Also the war in Iraq and the war in Afghanistan. Taxes are theft. While his fellow Republican candidates fume about gay marriage, Paul thinks the government should get out of the business of issuing marriage licenses entirely. (“In a free society, something that we do not truly enjoy, all voluntary and consensual agreements would be recognized.”)
http://www.spectator.co.uk/alexmassie/7434694/doctor-pauls-splendid-isolation.th tml
http://www.dailypaul.com/190287/pictures-of-big-rp-sign-on-my-car
Lange hat man ihm einfach keine Beachtung geschenkt, aber da mittlerweile ja gemunkelt wird, Paul könne unter Umständen in Iowa gewinnen, lässt man sich beim republikanischen Haussender zunehmend aus der Reserve locken. Da wäre zunächst Chris Wallace, FOX-Journalist und Moderator der heutigen letzten Debatte vor dem Caucus (die mal angedachte Veranstaltung mit Trump zwischen den Jahren ist mittlerweile gestrichen worden). Seine Meinung: Wenn Paul gewinnt, verliert Iowa als erster Vorwahlstaat signifikant an Einfluss, man würde ein solches Ergebnis einfach nicht beachten:
Well, and the Ron Paul people aren’t going to like me saying this, but, to a certain degree, it will discredit the Iowa caucuses because, rightly or wrongly, I think most of the Republican establishment thinks he is not going to end up as the nominee. So, therefore, Iowa won’t count and it will go on.
Video hier:
Ein anderer Weg: Bei Bill O'Reilly führt man aus, es geben ja manchmal diese Vorwahlen, wo ein Kandidat, der unter keinen Umständen gewinnen könne, plötzlich zum Hauptgegner des Favoriten werde, der ihn dann natürlich nach Strich und Faden vermöbeln werde; man denke an Dukakis gegen Jesse Jackson 1988. Ergo: Ein Sieg in Iowa bedeute nicht, dass Paul plötzlich ein ernstzunehmender Kandidat wäre.
Video:
http://andrewsullivan.thedailybeast.com/2011/12/fox-news-war-on-ron-paul.html
Derweil zieht Paul weiter gegen Newt zu Felde, den wohl ernsthaftesten Konkurrenten um den Lorbeer in Iowa: Newt habe sich einst um den Militärdienst gedrückt, habe aber keine Probleme damit, andere ins Gefecht zu schicken:
There was one other issue that I personally found annoying. He's probably as aggressive with the military as anybody. He supports all the wars in the Middle East a thousand times more than I would.
But you know in the 1960's when I was drafted in the military, he got several deferments. He chose not to go. Now he'll send our kids to war.
http://gop12.thehill.com/2011/12/ron-paul-slams-gingrich-over-deferments.html
:) the pics here!!!
Lange hat man ihn in weiten Teilen des konservativen Universums eher totgeschwiegen, aber angesichts der Entwicklung in Iowa scheint man nicht nur bei FOX inzwischen umzudenken. Der Weekly Standard, auch eine konservative Publikation, bringt einen langen Artikel über Passagen in Pauls Newsletter aus den Achzigern und Neunzigern (die Paul damals nicht zur Kenntnis genommen geschweige denn selbst geschrieben haben will), die schon regelrecht paranoid ausfielen:
No conspiracy theory was too outlandish for Paul’s endorsement. One newsletter reported on the heretofore unknown phenomenon of “Needlin’,” in which “gangs of black girls between the ages of 12 and 14” roamed the streets of New York and injected white women with possibly HIV-infected syringes. Another newsletter warned that “the AIDS patient” should not be allowed to eat in restaurants because “AIDS can be transmitted by saliva,” a strange claim for a physician to make.
Dazu wird er in den Dunstkreis staatsfeindlicher Milizen gerückt, die auch den Oklahoma-Bomber hervorbrachten:
Three months before far-right extremists killed 168 Americans in Oklahoma City, Paul’s newsletter praised the “1,500 local militias now training to defend liberty” as “one of the most encouraging developments in America.” And he offered specific advice to antigovernment militia members, such as, “Keep the group size down,” “Keep quiet and you’re harder to find,” “Leave no clues,” “Avoid the phone as much as possible,” and “Don’t fire unless fired upon, but if they mean to have a war, let it begin here.”
http://www.weeklystandard.com/articles/company-ron-paul-keeps_613474.html
Eines ist für mich klar: Wenn Paul im Laufe der Vorwahlsaison seine Schuldigkeit getan hat (nämlich Stimmen zu binden, die sonst einem anderen Anti-Romney-Kandidaten zugute kommen könnten) und dann ein bisschen zu erfolgreich wird, dann wird man nicht seine ordnungspolitischen Vorstellungen von der Rolle des Staates angreifen - die werden ja im Prinzip mittlerweile von weiten Teilen der Partei geteilt. Man wird auch nicht in erster Linie seine außenpolitischen Thesen debattieren wollen, schließlich ist die neokonservative Auslegung der amerikanischen Rolle in der Welt jenseits billiger Phrasen auch an der GOP-Basis nicht mehr unumstritten. Stattdessen wird man Pauls anrüchige Bettgenossen von vor 15 oder 20 Jahren verwenden, um den Kandidaten zu diskreditieren, wenn es denn nötig werden sollte.
In den kommenden Wochen und Monaten finden folgende Wahlen und Abstimmungen statt – zu allen Terminen werden voraussichtlich Märkte aufgesetzt:
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