> Nochmal kommt so ne Chance nicht. Kleine Mehrheit im Parlament mit
> namentlicher Abstimmung aber das Referendum wird gewonnen. Wer dagegen war
> ist politisch erledigt.
Hab gerade noch nen Post zu möglichen Alternativen reingestellt:
blog.wahlfieber.com/?p=354
Klar, ich wär auch für ne Änderung, aber täusch Dich mal nicht: Im Falle eines Referendums würde es eine massive Kampagne dagegen geben: Nie mehr stabile Regierung, schaut Euch Israel an, Koalitionspoker hinter verschlossenen TürenParteien, die nur noch Partikularinteressen vertreten, jalla, jalla, jalla. Kleiner Vorgeschmack:
Sowas werden wir im Fall eines Referendums täglich in der Mail / Sun / im Telegraph lesen dürfen, aufgepeppt mit den abschreckensten Beispielen aus der Geschichte der Demokratie.
Wenn das dann noch von einer Minderheitskoalition vorgeschlagen wird, die mit einer Wirtschaftskrise kämpft und immer wieder Probleme hat, ihre Abstimmungen zu gewinnen, dann würde ich darauf wetten, dass das Referendum scheitert. So dumm ich das auch fände.
Bei den Koalitionsgesprächen soll folgendes auf den Tisch gekommen sein:
- Die LibDems könnten drei Kabinettsposten bekommen: angeblich Innen, Verkehr und chief secretary to the Treasury;
- sie fordern eine Festlegung auf die Dauer der Legislaturperiode, die Tories sollen nicht bei günstiger Gelegenheit Neuwahlen ansetzen können;
- die Tories bieten zunächste eine Kommission zu einer Wahlrechtsreform an; vor dem Ende der Legislaturperiode soll es ein Referendum geben, bei dem beide Parteien für ihren Vorschlag werben können.
Verdammt mutiger Schachzug von Cameron, seine Fraktion wird nicht begeistert sein. Wenn ein solches Referendum wirklich im Angebot ist, werden die LibDems zu den Tories ins Bett hüpfen.
> Warum eigenlich kann Cameron das nicht? Er hat 10.5 Mio Stimmen hinter sich.
> Wenn er intelligent ist, was ich allerdings bezweifle, setzt er sich an die
> Spitze der Bewegung und bietet Fairness an.
>
> Hat er den Mut? Das glaube ich nicht, denn er ist sehr aussen gesteuert.
>
> Er muss doch nur ein Referendum anbieten. Wie es ausgeht wissen doch die
> Götter.
>
> Brown spielt vielleicht sein letztes Spiel aber das tut er bisher sehr gut.
>
>
> Mit guten Karten kann ja jeder gewinnen.
>
Das schrieb ich vor ein paar Tagen. Cameron muss jetzt den Widerstand im "1922" Komitee brechen oder ihn ruhigstellen.
Clegg muss darauf drängen, dass die Sache mit dem Referendum schneller kommt. Denn die Legislatur kann jederzeit zu Ende sein.
> Das schrieb ich vor ein paar Tagen. Cameron muss jetzt den Widerstand im
> "1922" Komitee brechen oder ihn ruhigstellen.
Sieht wirklich so aus, als wachse Cameron über sich hinaus. Die Times schreibt, er präsentiere sich sehr staatsmännisch, habe mit seinen Vorschlägen an die LibDems Format bewiesen. Im Grunde ja auch ne saubere Sache: Die Regierung legt den Wählern ein Referendum vor mit zwei Alternativen, beide Partner setzen sich für jeweils eine davon ein.
> Clegg muss darauf drängen, dass die Sache mit dem Referendum schneller
> kommt. Denn die Legislatur kann jederzeit zu Ende sein.
Er versucht ja, jetzt schon den Termin der nächsten Wahl festzuschreiben, damit genau das nicht passiert. Die Tories werden etwas auf Zeit spielen wollen, damit die jetzige Stimmung (stark pro Verhältniswahlrecht) sich vielleicht etwas abschwächt. Aber mit der Aussicht auf ein Referendum kann Clegg erhobenen Hauptes seinen Parteigremien gegenübertreten.
Und hier muss ich den von mir als Musiker sehr geschätzten Billy Bragg mal kritisieren, der hat nämlich verlauten lassen:
Among the protesters, campaigner and musician Billy Bragg said the hung Parliament was an opportunity to bring about "genuine electoral reform".
"We don't like these negotiations going on behind closed doors. The votes that people cast on Thursday should have given us a coalition government," Mr Bragg said.
Tut mir Leid, Billy: Koalitionsverhandlungen finden immer hinter verschlossenen Türen statt; wer das nicht mag, muss für das Mehrheitswahlrecht stimmen...
Eine Wahlrechtsreform hin zu mehr Verhältniswahl wir sicher schwierig. Bei derzeit 650 Abgeordneten kann das Parlament kaum noch größer werden, da sollte also die Hälfte der Direktmandate wegfallen, was nicht schlecht wäre, da man momentan zuweilen schon bei unter 10000 Stimmen Abgeordneter werden kann.
Die Konservativen wollen die Zahl der Parlamentssitze reduzieren, indem sie überdurchschnittlich kleine Wahlkreise (,it andern Worten: Labour-Wahlkreise) neu zuschneiden. Die LibDems wollen das Parlament um 150 Sitze verkleinern. Weitere Idee: Recall Ballots, mit denen ein Abgeordneter mitten in der Legislaturperiode abgewählt werden kann.
Beim Wecchseln zum Verhältniswahlrecht kommt es auf das präferierte Wahlsystem an: Bei STV hätte man bei der jetzigen Größe des Parlaments vielleicht noch etwas über 100 große Wahlkreise, die jeweils sechs Abgeordnete nach London schicken würden; bei AV+ müsste die Zahl der Wahlkreise etwa um 20% reduziert werden, wenn die Anzahl der Abgeordneten gleich bleiben soll.
Informationen über Wahlsysteme:
blog.wahlfieber.com/?p=354
FairVote ist eine amerikanische Wahlrechtsinitative, deren langjähriger Vorsitzender bis 2008 der ehemalige Präsidentschaftskandidat John B. Anderson war. Bei Anderson tut sich eine kleine Parallele zu Clegg auf: Durch eine Fernsehdebatte zu den republikanischen Vorwahlen wurde er über Nacht zum Star, nachdem er die Zustimmung zum Vietnamkrieg als größten Fehler seines Lebens bezeichnet. Er trat von den primaries zurück, um als Unabhängiger anzutreten und holte in Umfragen 25% (in einem möglichen Viererennen mit Carter, Kennedy und Reagan traute man ihm sogar den Sieg zu). Er verlor aber kontinuierlich und holte im Herbst knapp 7%.
John Cleese hat sich schon in den 80er in einer Belangssendung (so hießen die damals in .at, aber John Cleese kam darin leider nie vor) der Alliance für die Vorteile einer Verhältniswahl unter STV eingesetzt:
John Cleese on proportional representation (SDP/Liberal alliance broadcast from 1987):
STV heißt nicht automatisch, dass Wahlkreise geändert werden müssen, sondern einmal nur, dass alle Kandidaten gereiht werden können. Das ist auch in Einerwahlkreisen möglich, wo von hinten nach vorne die Kandidaten ausscheiden und ihre (wenn vorhanden) Zweitpräferenzen gezählt werden - dies geschieht solange, bis ein Kandidat über 50% erreicht hat. Für ein solches System müßte weder Mandatsanzahl noch Wahlkreisanzahl oder -größe geändert werden.
STV gibts in verschiedensten Ausprägungen in mehreren Ländern von einfach (s.o.) bis recht kompliziert auszuzählen - von Listenwahl hält man dort wohl gar nichts...
> STV heißt nicht automatisch, dass Wahlkreise geändert werden müssen,
> sondern einmal nur, dass alle Kandidaten gereiht werden können. Das ist
> auch in Einerwahlkreisen möglich, wo von hinten nach vorne die Kandidaten
> ausscheiden und ihre (wenn vorhanden) Zweitpräferenzen gezählt werden -
> dies geschieht solange, bis ein Kandidat über 50% erreicht hat. Für ein
> solches System müßte weder Mandatsanzahl noch Wahlkreisanzahl oder
> -größe geändert werden.
Wenn nur ein Kandidat pro Wahlkreis gewählt wird (was Labour vorschlägt, LD aber zu wenig ist) spricht man üblicherweise von AV oder IRV, auch wenn es nach dem gleichen Prinzip abläuft. Wenn von STV die Rede ist meist Verhältniswahlrecht gemeint.