Am 11. Oktober 2024 habe ich - in meiner Funktion als "Kontrolleur" des Blogs Sendestoerung (https://sendestoerung.de/)- folgende Stellungnahme zum Staatsvertragsentwurf für den ReformStV abgegeben und an die Landesregierung Rheinland-Pfalz übersandt:
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Es steht außer Frage: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) in Deutschland muss sparen - und das nicht zu knapp. Die Ursachen dafür sind vielfältig und nicht wenige davon hausgemacht und/oder eigen verschuldet.
Der nun einsetzende, längst überfällige Sparkurs darf aber keineswegs zu Lasten wichtiger Inhalte oder Sparten- und Minderheitenprogrammen gehen. Die Zukunft des ÖRR liegt womöglich weniger im Mainstream denn an der Peripherie. Eine klare Abgrenzung zu den privaten Anbietern scheint auf vielen Ebenen geboten.
Der vorliegende Staatsvertragsentwurf zum ReformStV greift jedoch entweder zu kurz oder setzt an der falschen Stelle an. Er scheint aus heutiger Sicht eher geeignet, Fehlentwicklungen im ÖRR weiter zu forcieren anstatt sie zu beheben.
Bevor es ans Eingemachte geht, ein kurzes Plädoyer. Ein Plädoyer für einen ÖRR, der
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ÖRR – stetige Konvergenz statt eigenes Profil
In den letzten Jahren ist wieder eine verschärfte Konvergenz im Dualen System zu beobachten, da sich der ÖRR im Rahmen bereits erfolgter Einsparungen nicht selten von Inhalten jenseits des sogenannten Mainstream getrennt hat. Nicht zuletzt sicher auch, weil Inhalte, die sich nur an eine bestimmte (kleine) Zielgruppe richten, weniger Quote versprechen als beispielsweise eine Schlagershow mit Florian Silbereisen oder die Übertragung eines Spiels der deutschen Fußballnationalmannschaft. Gespart wurde dort, wo es aus Sicht der Verantwortlichen nicht wirklich schmerzt oder geringerer Widerstand zu erwarten ist.
Dennoch: Der ÖRR hat einen Grundversorgungsauftrag, zu dem auch gehört, jeweils das gesamte Spektrum eines Bereiches hinreichend abzubilden und sich nicht nur auf das vermeintlich Populäre und Quotenträchtige zu konzentrieren.
Der Staatsvertragsentwurf sieht u.a. vor, dass sich der ÖRR von zahlreichen Programmen in Hörfunk sowie Fernsehen trennt. Die Umsetzung dieses Vorschlags würde jedoch das eben kurz Skizzierte vertiefen und an mancher Stelle sogar zementieren. Es sind vielfach die Nischen- und Spartenprogramme, in denen bestimmte Programmpunkte überhaupt noch stattfinden. Zahlreiche – nicht selten kulturell, gesamtgesellschaftlich oder demokratie-politisch bedeutsame - Inhalte würden danach im ÖRR nicht mehr stattfinden, was wiederum die Akzeptanz der Rundfunkabgabe weiter in Frage stellen dürfte. Dann nicht mehr nur aus den Reihen der sogenannten Rechten und Rechtspopulisten, sondern auch aus der breiten Mitte der Gesellschaft.
Ein vorrangiges Ziel der Reform sollte es daher nicht sein, die Anzahl der Programme zu reduzieren, sondern hochwertigere Programme im ÖRR zu ermöglichen.. Oder um es erneut in den Worten von Peter Sloterdijk zu sagen: Deutlich weniger „Amüsierfaschismus“, sondern vielmehr die Wiederaufnahme bisher vernachlässigter Inhalte.
Bevor ich dies anhand eines Beispiels aus meinem persönlichen Empfangsgebiet (NDR) verdeutliche, möchte ich erneut auf die Problematik der Konvergenz eingehen:
Der ÖRR schielt mittlerweile in fast allen Bereichen mit den Privaten um die Vorherrschaft bei der Verbreitung der seichtesten Kost. Es sind teilweise keinerlei signifikante Unterschiede in der Qualität oder der Darreichung mehr festzustellen. Das gilt für Showformate ebenso wie für eigenproduzierte Serien – leider sogar bei den Nachrichten.
Ein derart ausgerichteter ÖRR wird m.E. von Tag zu Tag ordnungspolitisch relevanter. Es ist eine klare Benachteiligung der privaten Rundfunkanstalten zu konstatieren, die sich durch Werbung selbst finanzieren müssen, während der ÖRR auf fixe Gebühreneinnahmen zurückgreifen kann.
Die Rundfunkabgabe stellt, wenn die Unterschiede zwischen den zwei Probanten nicht mehr hinreichend wahrnehmbar sind, einen schweren Eingriff in den freien Wettbewerb dar.
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ÖRR-Radio – Middle of the Road statt musikalische Vielfalt
Am Beispiel des NDR und des Hörfunks sei kurz eine Entwicklung geschildert, auf die ich im Blog Sendestörung (www.sendestoerung.de [sendestoerung.de]) anlässlich des 30. Geburtstags des Jugendsenders N-JOY ausführlicher eingegangen bin.
Der NDR war einst führend in der Begleitung populärer und progressiver Musik jenseits der Charts und schrieb u.a. mit seiner bereits in den 60er Jahren installierten Sendung „Musik für junge Leute“ wahrhaft Musikgeschichte. Der NDR hat meinen Musikgeschmack mitgeprägt und ebenso die Geschmäcker mehrerer Generationen. Aber, das war einmal! Es ist nur noch Geschichte. - Neuorientierungen sowie Einsparungen haben in diesem Jahrzehnt bereits dazu geführt, dass zahlreiche Musikgenre im NDR kaum noch – wenn denn überhaupt – zu hören sind. Die beliebte Sendereihe „Nachtclub“ wurde de facto eingestellt. (ihre Verlagerung in gekürzter Form auf NDR BLUE macht sie bedeutungslos – die Hamburger Musik- und Veranstalterszene hat sich vom NDR abgewandt und konzentriert sich auf einen anderen, Nicht-ÖRR-Sender), vor der Sommerpause 2024 erwischte es die Sendung „NDR Kultur Neo“ sowie diverse Jazzformate – sie fielen dem neuen gemeinsamen Programm der ARD-Kultursender ab 22:00 Uhr zum Opfer. Einsparungen zu Lasten der „Schwachen“.
In Deutschland gibt es mehrere Millionen Hardrock- und Metal-Fans - ein Musikgenre, das mir persönlich nur wenig Freude bereitet. Deren Festival im norddeutschen Wacken ist jährlich die weltweit größte Veranstaltung dieser Art. Ich vermute, es gibt inzwischen in Deutschland mehr Fans der (extrem) harten Rockmusik als Liebhaber klassischer Laute. Dennoch stehen Letzteren mehrere Radiosender zur Verfügung, während Erstere beim ÖRR gänzlich in die Röhre schauen resp. lauschen. Mir ist keine Sendung bekannt, die dieses Musikgenre aufgreift.
Es muss leider für den ÖRR im Bereich des Radios festgehalten werden: Rock, Hardrock, Metal, Folk, Singer Songwriter, Blues, Independent, Jazz, französische, spanische oder lateinamerikanische Musik – (größtenteils) Fehlanzeige.
Alan Bangs, der ehemalige „Rockpalast“-Moderator, plädierte schon vor vielen Jahren für mehr Kreativität bei der Programmgestaltung als Gegenstück zu einem Formatradio: „Ich möchte Leute hören, die sich für bestimmte Sachen interessieren, die sich die Mühe machen, Sachen zu finden, die ich vielleicht sonst nicht hören würde. Die Stücke spielen, weil sie meinen, dass andere Menschen sie einfach hören müssen.“
Aber auf diesem Ohr ist nicht allein der NDR taub. Das konsequente Nicht-Wahrnehmen-Wollen von Musikrichtungen jenseits der Charts hat alle öffentlich-rechtlichen Sender befallen. Ja, wo bleibt eigentlich der tägliche „musikalische Krach“ in den Weiten des ÖRR?
Müsste der ÖRR nicht eigentlich für Menschen, die nicht auf gängige Popmusik und die neuesten Charthits stehen, die Rundfunkgabe verringern? Schließlich bildet er deren Musik nicht ab.
Da dies nicht umsetzbar ist, schlage ich stattdessen vor: Es gibt mittlerweile mehrere Radiosender, die (ausschließlich) von ihren Hörern finanziert werden – z.B. Byte FM – und die jene Musik spielen, die im ÖRR nicht mehr stattfindet. Im Sinne der Medienvielfalt (und nicht zuletzt der Musikvielfalt) sollte in der jetzigen Situation jeder Gebührenzahler die Möglichkeit bekommen, individuell darüber zu bestimmen, ob mit seiner Rundfunkabgabe auch ein weiterer Sender und nicht allein der ÖRR unterstützt wird. - Tenor: 5 Euro meiner monatlichen Zahlung gehen – um beim angeführten Beispiel zu bleiben - an Byte FM. Die allein spielen meine Musik.
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ÖRR auf UKW – Mut zur analogen Lücke
Weitere Anmerkung: Byte FM ist in Hamburg über UKW zu empfangen. Dass sich die wichtigen Akteure der dortigen Musikszene diesem Sender zu- und vom NDR abgewandt haben, unterstreicht eindrucksvoll die Bedeutung der analogen UKW-Ausstrahlung in einer zunehmend digitalen Welt. Es zeugt gleichsam davon, dass die Verbreitung von DAB-Empfangsgeräten noch nicht wirklich weit fortgeschritten ist.
Dass der NDR trotzdem die Abschaltung von UKW vorantreibt, ist ein fatales und falsches Signal.
Trotz Sparzwang muss für den ÖRR gelten: Beibehaltung der UKW-Frequenzen – Mut zur analogen Lücke!
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ÖRR – Sparen an der richtigen Stelle / Steigerung der Eigenfinanzierung
Was aus meiner Sicht bei der Sanierung des ÖRR dringend geboten ist:
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Die Anzahl der ÖRR-Eigenproduktionen ist aktuell sehr unüberschaubar. Allein im Bereich Crime/Krimi dürfte sie eine höhere zweistellige Zahl erreicht haben. Das Problem: Die Serien ähneln einander – lediglich die Schauplätze scheinen ausgetauscht. Und: Die meisten Produktionen sind qualitativ eher mittelmäßig. Gäbe es nicht am oberen Rand des Bildschirms ein Senderlogo, der gemeine Zuschauer bekäme oft gar nicht mehr mit, ob er nun einen ÖRR- oder einen privaten Sender eingeschaltet hat. Auf der Strecke bleiben beim ÖRR gute und qualitativ hochwertige Produktionen aus dem Ausland. Mehr noch: Zu viele, oft Trend setzende Serien, die bei den Zuschauern große Beliebtheit genießen, werden seit Jahren, eher Jahrzehnten, von der privaten Konkurrenz ausgestrahlt. –
Im Bereich Eigenproduktionen gibt es daher ein großes Einsparungspotenzial, das u.a. auch vermehrt Serien aus dem Ausland in den Mittelpunkt der ÖRR-Programme schieben könnte. Der Qualität des ÖRR täte dies sicher keinen Abbruch – im Gegenteil.
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Was soll man noch ernsthaft anmerken zu überteuerten Show-Produktionen – zumeist ohne größeren Mehrwert? Vielleicht ja folgendes: Die eine oder andere Produktion dürfte den Jahresetat eines Nischenprogramms erreichen, wenn nicht gar überschreiten. Ich bin geneigt, frei nach und mit Groucho Marx auszurufen: „Der ÖRR bildet. Immer, wenn irgendwo (am Samstagabend) ein Fernseher läuft, gehe ich in einen anderen Raum und lese ein gutes Buch.“
Prädikat für solch überdimensionale Sendungen in Zeiten des Spargebots: kw – kann wegfallen. – Andere Aufgaben des ÖRR sollten eine höhere Priorität genießen
ad 3.
Der Erwerb von Sportrechten hat mittlerweile schwindelerregende Höhen erreicht – daran nicht ganz unschuldig: der ÖRR.
In Zeiten des Spargebots kommt dem Bildungs- und Informationsauftrag des ORR zweifelsohne eine höhere Bedeutung zu.
Prädikat: m.w. – müsste (überwiegend) wegfallen
ad 4.
Manch ein Intendant im ÖRR verdient mehr als der Bundeskanzler. Von diversen Showmastern ganz zu schweigen. Die Rundabgabe erschafft ihre eigenen Millionäre – die Einzahlenden gehören sicher nicht dazu.
Prädikat: Selbst bei einer Halbierung der Einkünfte dürften die (führenden) Probanten in Funk und Fernsehen nicht in Bälde der Agentur für Arbeit zur Last fallen.
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In Österreich längst Wirklichkeit: Werbung im ORF, rund um die Uh, jedoch nur zwischen den einzelnen Programmbeiträgen.. Statt das eine und andere sinnvolle Nischenprogramm abzuschalten, sollte beispielsweise über eine Refinanzierung dieser Programme mittels Werbeeinnahmen nachgedacht werden.
„Positiver“ Nebeneffekt (aus finanzieller Sicht): Mindestens eine Stunde Eigenproduktion dürfte künftig pro Tag und Sender wegfallen.
ad 6.
Wie eingangs bereits angedeutet: Viele Probleme des ÖRR sind hausgemacht. Was wiederum auch bedeutet: die Aufsichtsgremien haben versagt. Wissentlich oder unwissentlich.
Wer immer den ÖRR reformieren will, sollte eines beachten: Die Sendergruppen benötigen dringend eine neue, eine effektive und unabhängige Kontrollinstanz, damit sich die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.
Auf dem Blog Sendestörung (www.sendestoerung.de [sendestoerung.de] gibt es auch dazu einen konkreten Vorschlag, der nicht nur den ÖRR betrifft. Aus eigener, teilweise leidvoller Erfahrung wissen die Betreiber des Blogs, wie bedeutsam eine funktionierende und kritische, dabei neutrale Kontrollkommission ist.
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Wenn es gelingt all dies umzusetzen, hat der ÖRR eine realistische Chance, quasi wie ein Phoenix aus der Asche zu steigen. Eines braucht dieses Land jedoch auf keinen Fall: Einen mit Zwangsgebühren finanzierten Mediengiganten, der sich von seiner privaten Konkurrenz nur noch – wenn denn überhaupt - in Nuancen unterscheidet. Das Land und seine Menschen benötigen auch keine Lehr- oder Belehrungsanstalt, sondern ein gutes, objektives, vielfältiges und unabhängiges Informationsmedium, in dem sich (fast) alle wieder finden (könnten) – zumindest in Teilbereichen. Das ist – neben den vielen inhaltlichen und musikalischen Nischen – der Bereich, mit dem der ÖRR punkten und sich von den privaten Sendern klar und deutlich abheben kann. Ein Medium, dessen Programme natürlich auch unterhaltend sein dürfen. Aber bitte abwechslungsreich, das gesamte Spektrum abdeckend – mit mehr als nur einer Prise Niveau.
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Anhang:
Links zu den im Schreiben erwähnten Artikeln:
N-JOY https://sendestoerung.wordpress.com/2024/04/04/ndr-30-jahre-n-joy-sind-mehr-als- genug/
Medienkontrolle https://sendestoerung.wordpress.com/2024/05/08/medienkontrolle/
Die Position von Sendestörung zum ÖRR: https://sendestoerung.wordpress.com/2023/09/05/auf-den-punkt-gebracht-unsere-poa ition-zum-orr/
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