Eigentlich kann man ja nur bei den Prozentemärkten hinterher sehen, wie genau unsere Prognose war.
Allerdings frag ich mich schon, ob eine Wahlbörse zu einer Wahl in einem fremden Land, mit dem wir überwiegend nur wenig vertraut sind, so gute Ergebnisse liefern kann. Im Grunde spiegeln unsere Aktienkäufe doch dann auch nur die Umfragen oder den Tenor der Presseberichte wieder oder sie stützen sich sehr stark auf den Bekanntheitsgrad des Politikers: Giuliani kenn ich, Romney sagt mir nichts, also wird Giuliani gekauft.
Wie gesagt, die Prognosegenauigkeit unseres Tuns hier zweifle ich schon ein bisschen an, Spass machts aber allemal und man ist danach schlauer - das ist ja auch schon mal was...
Die vermeintliche Unterbewertung der Clinton-Aktie könnte sich sowieso heute erledigt haben: Obama hat Wisconsin gewonnen, wohl mit etwa 15% Vorsprung.
Hab allerdings gerade einen Artikel gelesen, demzufolge die bei Vorwahlen gewonnenen Delegierten gar nicht zwingend für ihren Kandidaten stimmen müssen. Ein Stratege aus dem Clinton-Lager äußerte wohl schon, man habe natürlich Pläne in der Schublade, einige von Obamas Delegierten zum Seitenwechsel zu veranlassen.
Ich weiß nicht so ganz, was ich von dem Artikel halten soll. Ist zwar vom Chefkolumnisten einer renommierten Webseite verfasst worden, aber SO irre kann doch wirklich niemand sein, auf so eine offensichtliche Art und Weise den Willen der eigenen Parteibasis verfälschen zu wollen. Mit viel Glück kann man sich mit solchen Manövern vielleicht die Kandidatur sichern, aber danach niemals eine Wahl gewinnen - ein Gutteil der eigenen Parteibasis würde zu Hause bleiben. Deshalb würd ich dieses Szenario mal mit Skepsis betrachten. Aber wer weiß?
Hier der Link: http://www.politico.com/rogersimon/
Die Washington Post hat mal die Wählergruppen in Wisconsin und deren Abstimmungsverhalten etwas unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss, dass Obama bei Teilen der eher Clinton wohlgesonnenen Bevölkerungsgruppen inzwischen deutlich besser abschneidet:
* The shape of the electorate in Wisconsin should have played to Clinton's strengths. Nearly six-in-ten voters in the Wisconsin Democratic primary were women; nine in ten were white; forty percent earned $50,000 or less; and 58 percent had no college degree. And yet, in each of those categories, Obama ran ahead or close to even with Clinton. Among women Clinton took 51 percent to 48 percent for Obama; among white voters he won 52 percent to 46 percent; among those earning less than $50,000 he won by seven points; and among those without a college degree Obama won 54 percent to 45 percent.
All of that data suggests one thing: Obama is building the coalition that Clinton appeared to have built in earlier votes. And without winning back a significant portion of that coalition, it becomes VERY difficult for her to come from behind and claim the nomination.
* If there was any doubt whom McCain thinks he will face in November, his speech tonight removed all doubt. McCain attacked the "empty call for change that promises no more than a holiday from history" and wondered whether the country will "risk the confused leadership of an inexperienced candidate." Yowza.
Quelle: http://blog.washingtonpost.com/thefix/
Sehr schön übersichtlich aufgeschlüsselt findet man diese Daten auch auf http://www.realclearpolitics.com/horseraceblog/2008/02/how_obama_won_wisconsin.html. Dort kommt man zu dem Ergebnis, dass das Primary in Wisconsin das erste wirkliche Anzeichen für "Momentum" (eine grundsätzliche Veränderung der Einstellung der Wähler) eines der beiden Kandidaten sei. Mit aller Vorsicht sagt man bei RCP voraus, dass Texas nun endgültig auf der Kippe stehe.
Oberflächlich betrachtet ist das clinton-ergebnis ein desaster.
Auszählungsstand: 97 %
Stimmenverhältnis 58:41 für obama
Delegierte 38:27 für obama
Ich gebe aber zu bedenken, dass clinton in wisconsin kaum präsent war und sich voll und ganz auf texas und ohio konzentriert hat. In beiden bundesstaaten führt sie immer noch vor obama - in ohio deutlich, in texas allerdings nur mehr mit 2-5 prozent vorsprung.
Sollte sie allerdings dort in zwei wochen die umfrageergebnisse nicht bestätigen können und obama in einem der zwei staaten sogar ein "X" herausholen, wäre das rennen entschieden.
Sie hat mit stand von heute etwas schlechtere karten als er, chancenlos ist sie aber sicher nicht.
Nur in einem bin ich mir ganz sicher:
Sie wird nicht us-präsidentin werden.
Sollte sie doch noch mit müh und not von den demokraten nominiert werden, hätte sie gegen mc cain kaum eine chance. Die enttäuschung bei vielen obama-wählern wäre wohl so groß, dass ein teil von ihnen an den wahlen vermutlich gar nicht teilnehmen würde.
Clinton hat weniger Zeit in Wisconsin verbracht als Obama, schon richtig. Sie hat allerdings durch Fernsehspots und Postwurfsendungen versucht, das Ruder noch rumzureißen - in ziemlich harschem Ton übrigens: http://www.politico.com/news/stories/0208/8565.html
Beide Seiten haben vor dem Primary ausgiebig erklärt, warum der Gegner / die Gegnerin hier in der besseren Position sei. Clinton hat eigentlich in allen Staaten inzwischen einen organisatorischen / finanziellen Nachteil; aus unerfindlichen Gründen hat ihr Wahlkampfteam es wohl fast völlig versäumt, in den auf den Super Tuesday folgenden Staaten rechtzeitig eine schlagkräftige Organisation aufzuziehen; man dachte wohl, man habe nach dem Super Tuesday die Nominierung sowieso schon in der Tasche. Obamas Leute haben da viel vorausschauender geplant: Obama hatte in Wisconsin 11 Büros, Clinton vier; er gab dort knapp viermal so viel für Fernsehspots aus wie sie. Und es ist auch schwer für sie, diesen Nachteil wieder wettzumachen, nimmt Obama doch mehr an Spenden ein als sie. Wirklich keine einfache Situation. Aber ich stimm Dir natürlich zu: Eine Clinton sollte man nicht zu vorschnell abschreiben.
Clintons Leute scheinen auch einfach ein bisschen dämlich zu sein: Erst jetzt scheint ihnen aufgegangen zu sein, dass in Texas ein Primary und ein Caucus nacheinander abgehalten werden. Hektischer Aktionismus war die Folge (Caucuses mag Hillary ja nicht so). Nachzulesen unter http://www.time-blog.com/swampland/2008/02/the_texas_caucumaryprimacus_co.html Wie kann man denn (fragt auch Time Magazine) wochenlang von Texas als einer der wichtigsten und vorentscheidendsten Vorwahlen überhaupt reden, ohne sich offenbar genauer mit den Regeln dort vertraut zu machen? Obamas Leute ziehen derweil schon mit ihren Powerpoint-Präsentation durch den Staat und bereiten ihre Anhänger auf das komplizierte Prozedere vor. Das ganze ist wirklich keine Empfehlung für Hillary (Führungsstärke und so)...
Obama hat auch Hawai gewonnen: mit mehr als 75%. So langsam hat er also auch einen ganz respektablen Vorsprung bei den Delegiertenzahlen, der aufgrund des Verhältniswahlrechts in den demokratischen Primaries auch nicht mehr so leicht aufzuholen ist. Hab irgendwo gelesen, dass Hillary in den übrigen Staaten durch die Bank so um die 60% holen müsste, um ihn bei den durch Vorwahlen vergebenen Delegierten noch zu überholen.
Zur Wahl im November: Da stimm ich dir auch zu, glaube allerdings, dass auch Obama diese verlieren dürfte. Die Reps werden schon fleissig an den Wahlkampfgranaten basteln:
Im letzten Jahr war er der Senator mit dem linkesten Profil,
seine Frau hat neulich gesagt, nach den Erfolgen ihres Mannes zum ersten Mal stolz auf ihr Land sein zu können,
im Fernsehen war eines seiner Wahlkampfbüros zu sehen - mit einem Konterfei von Che Guevara an der Wand,
gerade läuft ein Gerichtsprozess gegen einen langjährigen Unterstützer aus Illinois (Tony Retzko).
Wenn die Republikaner von einem wirklich Ahnung haben, dann von Schmierkampagnen. Und da die meisten Wähler (anders als bei Hillary oder McCain) noch kein über lange Jahre gefestigtes Bild von ihm haben, ist sein Image durch solche Kampagnen halt auch recht leicht beeinflussbar. Aber ich wär nicht böse, wenn ich mich hier irren würde...
Texas hat ein irre chaotisches Wahlverfahren; das kann noch heiter werden: Viele der Wahlbezirke haben noch gar keinen Wahlleiter; die Distrikte mit den meisten Afroafrikanern erhalten verhältnismäßig ein viel größeres Gewicht als die mit vielen Hispanics; im Juni werden dann noch mal 42 weitere Delegierte auf einem Parteitag bestimmt. das Labyrinth des Minotaurus ist leichter zu meistern als dieses Vorwahlverfahren. Genaueres unter:
Der Prozess gegen den Investor und langjährigen Obama-Förderer Tony Rezko soll nun endgültig am 03.März beginnen.
Ich habe in diesem thread bereits das Link zu RezkoWatch, einem sehr guten Blog, angeführt.
Der Hauptbelastungszeuge soll übrigens eine Menge verschiedene Drogen genommen haben, so dass die Anwälte von Rezko die Güte seines Gedächtnisses in Zweifel ziehen wollen.
So wie es aussieht wird der Prozess Mitte April auf einen ersten Höhepunkt zusteuern.
Der englische Guardian hat nen interessanten Artikel zu den demokratischen Vorwahlen. Man beschäftigt sich nicht mit der Message oder Persöhnlichkeit der Kandidaten, sondern allein mit der Wahlkampforganisation. Und da haben Hillary und ihr Team sich wirklich grobe Fehleinschätzungen und Schnitzer geleistet (und tun es immer noch), während Obama eine äußerst clevere und bis dato praktisch fehlerlose Kampagne geleitet hat. Der Verlauf der Vorwahlen spricht auf jeden Fall für Obamas Eignung fürs Oval Office: Wer seine Ressourcen so klug einsetzt und so vorausschauend plant, bringt sicher schon mal wertvolle Qualitäten für das höchste Amt mit. Wer sich für so was interessiert: