Ich glaube, dass in Amerika drei Umstände zusammenkommen, die den Staat schließlich handlungsunfähig machen:
- Die Tatsache, dass Teile des Repräsentantenhauses und die Hälfte des Senats, mitten in der Legislaturperiode des Präsidenten gewählt werden.
- Die generell starke Trennung von Exekutive und Legislative
- Das Zwei-Parteien-System, welches durch das Mehrheitswahlrecht bedingt ist. Gäbe es ein Verhältniswahlrecht, so hätten wir mit Sicherheit eine gespaltene Opposition, von der Teile kompromissbereit wären.
Ihre lange Kompromisverweigerung, machte die Reps ja durchaus unbeliebt, gäbe es noch eine weitere konservative Partei, so würde dies zu mehr Wettbewerb und mehr Konkurrenzdruck führen. Sicher wäre eine extremer und die andere moderate und ebenso sicher wäre die moderate noch viel früher einen Kompromiss eingegangen.
Wobei sich ja anscheinend alles wieder eingerenkt hat:
- Das Zwei-Parteien-System, welches durch das Mehrheitswahlrecht bedingt ist. Gäbe es ein Verhältniswahlrecht, so hätten wir mit Sicherheit eine gespaltene Opposition, von der Teile kompromissbereit wären.
Teilweise sollte das eigentlich dadurch ausgeglichen werden, dass die Abgeordneten ihr Amt allein ihrem Wahlkreis verdanken. Bei den Demokraten und auch den republikanischen Senatoren kann man ja immer noch recht gut sehen, dass da viele kompromissbereiter sind, einfach, weil die politische Ausrichtung ihres Wahlkreises ihnen keine andere Wahl lässt. Der republikanische Senator Scott Brown aus dem linken Massachusetts will nächstes Jahr wiedergewählt werden, da kann er keinen knochenkonservativen Kurs fahren. Aber im Repräsentantenhaus sieht es anders aus; da sind letztes Jahr so viele Tea-Party-Ideologen reingewählt worden, dass die republikanische Fraktion in der Tat recht homogen ist.
Man hat im Streit über die Anhebung der Schuldenobergrenze also doch noch eine Einigung erzielt, in letzter Minute.
http://www.politico.com/news/stories/0711/60344.html
http://survivingsarcoma.com/wp-content/uploads/2010/11/14-the-godfather_imagelar ge.jpg
Die Schuldenobergrenze wird ordentlich angehoben, Obama verpflichtet sich zu Einsparungen von 2,4 Billionen Dollar, Steuern werden nicht erhöht. Viele Linke schäumen, da die Obama-Administration sich damit letztendlich vollständig dem republikanischen Standpunkt anschließe, wonach die USA kein Einnahmen-, sondern einzig und allein ein Ausgabenproblem haben. Etwas differenzierter kommentiert Jonathan Chait: Obama habe im Vorfeld massive Fehler gemacht, hätte etwa eine Erhöhung der Obergrenze bereits im letzten Jahr durchdrücken können. Auch sei er vorschnell auf die Forderungen der Republikaner nach weitreichenden Verhandlungen über den gesamten Staatshaushalt eingegangen.
Taktisch könne er der jetzigen Lösung aber auch einige positive Seiten abgewinnen: Obama sei zwar nie der Big Spender gewesen, als den ihn die Republikaner zeichnen, aber mit dem heutigen Deal werde vielen Amerikanern vermutlich erst klar, dass auch Obama zu Kürzungen bereit sei. Im nächsten Jahr stünden wieder Verhandlungen über die Verlängerung der Steuerkürzungen durch Bush an, hier gebe es für einen gewieften Präsidenten durchaus die Möglichkeit, diese auslaufen zu lassen (notwendig für eine langfristige Gesundung des Staatshaushaltes) und der GOP dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben. Allerdings ist Chaits Vertrauen in das taktische Geschick Obamas mittlerweile ziemlich erschüttert:
There’s a limit to how much faith one can place in a man who has so badly misjudged his political opponents time and time again. The debt ceiling ransom may be a shrewd strategic retreat, or it may be the largest in a series of historic capitulations. We won’t know until the fight over the Bush tax cuts has been settled.
http://www.tnr.com/blog/jonathan-chait/92991/did-obama-get-rolled
Weitere Neuigkeiten:
Der "Dokumentarfilm" über Sarah Palins großartige politische Leistungen hat am vergangenen Wochenende in den amerikanischen Kinos 5200 Dollar eingespielt. Soviel schafft Harry Potter vermutlich in einem einzigen Lichtspielhaus. Die Begeisterung der Amerikaner (oder zumindest der amerikanischen Konservativen) für die Frau muss in der Tat unermesslich sein, wenn die Massen dermaßen Schlange stehen - am besten schnell weitere "Andere"-Aktien zum derzeitigen Schnäppchenpreis von 35 Ex kaufen.
Rick Perry kommt derweil zu Besuch in Wohnzimmer in Iowa - als Werbefilm, der dort jetzt in den nächsten zwei Wochen im Fernsehen ausgestrahlt wird. Natürlich nicht von Perry selbst bezahlt (der ist ja offiziell noch gar kein Kandidat), sondern von einem Super-PAC (einer nominell unabhängigen politische Organisation) namens "Jobs for Iowa". Der Name wie auch das Filmchen selbst verdeutlichen es schon: Perry verlässt sich nicht auf die christliche Rechte und die Tea Partys, bei denen er eh recht populär ist, sondern versucht, die desaströse Lage am Arbeitsmarkt zum Thema zu machen und sein texanisches Modell als Allheilmittel für die gesamten USA zu propagieren.
http://gop12.thehill.com/2011/08/super-pac-airs-iowa-ad-for-perry.html
eine "unabhängige" Initiative liefert einen professionellen Spot ab. Es kann sich nur noch um Tage handeln bis er sich erklärt.
Rick Perrys Kampagen-Essentials:
http://jobsforiowa.org/why_rick.html
IMO:
He is the man to beat.
Nate Silver sagt lt Guardian 258- 173 voraus für die heutige Abstimmung
Edit 5.37 Uhr
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,777833,00.html
269 Abgeordnete stimmten dem Kompromiss zu, 161 dagegen.
http://www.c-span.org/Live-Video/C-SPAN/
Biden versteht etwas von Terroristen. When it walks like a terrorist, and talks like a terrorist...
Biden, driven by his Democratic allies’ misgivings about the debt-limit deal, responded: “They have acted like terrorists,” according to several sources in the room.
538 glaubt, Obama hätte in den Verhandlungen mehr herausholen können: Mehr Sozialleistungen für Arbeitslose etwa hätten den Deal nicht scheitern lassen. Die Republikaner dagegen könnten mit dem Erreichten sehr zufrieden sein.
I wrote at length [nytimes.com] earlier Monday about why I think the proper characterization of the deal that President Obama struck with Republicans is “pretty bad” rather than “terrible.” (That’s from a Democratic point of view. For Republicans, I’d say the deal should be thought of as “quite good” rather than “awesome.”)
http://fivethirtyeight.blogs.nytimes.com/2011/08/01/what-the-white-house-left-on -the-table/
Ungemach drohe den Republikanern allerdings durch das Kleingedruckte in der Vereinbarung: Bis zum Jahresende muss der Kongress sich auf ein Sparprogramm (beziehungsweise Steuererhöhungen) in Höhe von 2,5 Billionen Dollar einigen, ansonsten wird in jedem Ressort nach der Rasenmähermethode gekürzt. Das wären im Verteidigungshaushalt dann um die 600 Milliarden.
Nun gibt es unter Republikanern halt die Falken, die entschieden gegen Kürzungen beim Militär sind; es gibt natürlich auch die Gegner jedweder Steuererhöhung. Beides zu vermeiden und trotzdem zu einem Kompromiss zu kommen, den auch die Demokraten mittragen können, wird allerdings sehr schwer; gibt es diesen Kompromiss aber nicht, dann gehen dem Pentagon eben automatisch 600 Milliarden flöten.
Ich hatte schon einmal auf eine Story im Rolling Stone verlinkt, in der angezweifelt wurde, ob die amerikanischen Republikaner die von ihnen vollmundig verkündeten Prinzipien im Zweifelsfall (wenns ans eigene Portemonnaie geht) wirklich so ernst nehmen. Von 538 angeführte Umfragezahlen bestätigen den Verdacht:
Um den Haushalt zu sanieren, befürworten lediglich
28% der befragten Republikaner Einschnitte im Verteidigungshaushalt,
19% Steuererhöhungen,
18% Abstriche bei Sozialleistungen,
gar nur 13% Kürzungen beim staatlichen Gesundheitsprogramm Medicare.
Sprich: Es wird lautstark gegen "Obamas Defizit" und das ach so sozialistische "Big Government" agitiert, radikale Kürzungen werden gefordert, aber wenn es dann konkret wird, findet man die einzelnen Ausgabenposten der Regierung eigentlich ganz vernünftig. Auch interessant: Wenn Republikaner gefragt wurden, ob sie Steuererhöhungen für Leute mit einem Jahreseinkommen über 250.000 Dollar zur Verminderung des Defizits begrüßen würden, war die Antwort bei 51% positiv, unter Anhängern der Tea Parties begrüßten immer noch 44% eine solche Maßnahme. Mit einem Wort: Die Abgeordneten und Präsidentschaftskandidaten der GOP scheinen deutlich radikaler zu sein als das Gros (wenn auch vielleicht nicht der lauteste Teil) der Basis.
In der Partei könnte es zu erbitterten Auseinandersetzungen kommen, wenn sie sich auf konkrete Maßnahmen zur Defizitreduzierung festlegen muss.
http://politicalwire.com/archives/2011/08/01/cartoon_of_the_day.html
EDIT: Michele Bachmann rechtfertigt ihr "Nein" bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus genau mit diesem Dilemma: Sie fürchte um die zukünftige militärische Stärke der USA und Bushs Steuersenkungen.
Gestern haben wir schon erwähnt, dass eine sogenannte Super PAC sich in Iowa auf Seiten Perrys in den Wahlkampf einmischt; vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass eine ähnliche Organisation in diesem Jahr bereits über 12 Millionen zur Unterstützung Romneys eingetrieben hat. Super PACs werden immer wihtiger werden, da sie es reichen Spendern erlauben, sich mit mehr als 2500 Dollar (dem an Direktspenden an einen Kandidaten erlaubten Maximum) zu engagieren. Besonders für Kandidaten, die weniger auf viele Kleinspender setzen als eher auf gute Kontakte zur Wirtschaft, ist dieses Hintertürchen sehr wichtig.
Twenty-six million dollars was raised by Super PACs in the first half of 2011, 83 percent of which came from five groups, according to filings with the Federal Election Commission.
The five groups that accounted for $22 million of the total were: Restore Our Future, American Crossroads, Priorities USA Action, American Bridge 21st Century and Majority PAC, according to the Sunlight Foundation.
Super PACs, as defined by the foundation, are independent groups allowed to raise unlimited amounts from individuals, labor unions, corporations and other political committees in support of candidates without coordinating with them. The groups played a pivotal role in the 2010 midterm elections raising unprecedented totals used toward campaign efforts.
http://politicalticker.blogs.cnn.com/2011/08/01/superpacs-raise-2-million-in-201 1/
Der Spiegel beschreibt die Details des Deals zur Schuldenobergrenze:
So sieht die erste Etappe des zweistufigen Sparprogramms beim Militär lediglich Budget-Einsparungen von 350 Milliarden Dollar vor. Das entspricht in etwa früheren Sparplänen.
Die zweite, rund 1,5 Billionen Dollar schwere Sparrunde aber, die eine Kommission aus Demokraten und Republikanern bis Weihnachten aushandeln soll, könnte es in sich haben. Sollten die Politiker scheitern, würden die Militär- und Sozial-Budgets der Regierung für die kommenden zehn Jahre jeweils um weitere 600 Milliarden Dollar gekürzt.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,777889,00.html
Ganz so verheerend wird sich ein Scheitern der Sparrunde im Dezember und damit eine automatische Kürzung des Verteidigungshaushaltes nicht auswirken auf das Budget des US-Militärs, das wurde ja in den vergangenen Jahren deutlich aufgebläht:
http://andrewsullivan.thedailybeast.com/2011/08/growth-is-power.html
Doch die GOP steht ein knappes Jahr vor der Wahl wirklich vor einer schwierigen Frage: Abrüsten oder Steuererhöhungen? Bin mal gespannt, wie sich die Präsidentschaftskandidaten dazu positionieren - wobei ich fürchte, dass man sich mit leeren Phrasen um eine klare Festlegung herumdrücken wird.
Ich hab auf dieser Seite mal selbst am US-Haushalt rumgeschraubt - wenn man abrüstet UND Steuern erhöht, hat man das Defizit ruck-zuck im Griff:
http://marketplace.publicradio.org/features/budget_hero/
Derweil gab es zumindest einen Grund zur parteiübergreifenden Freude im Repräsentantenhaus: Gabrielle Giffords erschien zum ersten Mal seit ihrer schweren Verletzung durch einen Amokläufer wieder in der Kammer und gab ihre Stimme ab - für die Anhebung der Schuldengrenze.
"Comeback Kid" - das war auch Bill Clinton einmal. Ein Artikel erinnert daran, wie er 1995 mit dem Repräsentantenhaus umsprang, als man dort damals ebenfalls in Erwägung zog, die Anhebung der Schuldenobergrenze zunächst zu verweigern und dem Präsidenten damit Konzessionen abzupressen. Clinton schlug einen ganz anderen Ton an als Obama dieser Tage:
On November 9, 1995, a senior administration official told the Washington Post, “Our position is it does not matter what they put on this legislation, we are not going to accept anything but clean bills because we will not be blackmailed over default. Get it? No extortion. No blackmail. What you hear are their screams of complaint as they realize we are not, not, not budging on this.” [...] It's easy to overestimate Clinton's resolve in the golden light of history. At the time, the Clinton administration was freaked out, desperate to move to the center and highly amenable to compromise. Still, Obama needs to recognize that capitulating to economic hostage-taking creates long-term dangers -- not just to his agenda but to the health of American democracy.
http://www.tnr.com/blog/jonathan-chait/93085/how-clinton-foiled-debt-ceiling-ext ortion
"Although the United States has basically avoided default, its sovereign debt problems remain unresolved. They have merely been pushed off, and there is a tendency for them to grow," a brief commentary in the paper said of the U.S. debt deal.
"This has cast a cloud over U.S. economic recovery, and also increased the risks and perils facing the world economy."
Neue Umfrage in Nevada: Romney läge demnach dort nur einen Punkt hinter Obama, alle anderen republikanischen Bewerber aber mindestens 9. Die eine Paarung also ein ziemlich offenes Rennen, alles andere ein Himmelfahrtskommando.
Das Umfrageinstitut hält fest, ein ähnliches Ergebnis habe man bei kürzlich durchgeführten Umfragen auch in anderen Swing States gefunden:
Over the last month we've had similar findings in:
-Pennsylvania, where Obama is tied with Romney but leads all other Republicans by at least 7 points.
-New Hampshire, where Romney leads Obama by 2 points but all other Republicans trails Obama by at least 7.
-Virginia, where Obama leads Romney by 4 but has at least a 9 point advantage over all the rest of the GOP hopefuls.
-Michigan, where Obama has a 5 point advantage over Romney but at least a 15 point lead over everyone else.
-North Carolina, where the disparity between Romney and the rest of the Republicans isn't quite as great. Obama and Romney are tied while Obama leads all the others by at least 3 points.
Taken all together it makes you ask the question: do Republicans have to nominate Romney to defeat Obama next year?
http://publicpolicypolling.blogspot.com/2011/08/does-gop-need-romney-to-win.html
Die Probleme von Teilen der Basis mit Mitt sind bekannt.
http://images.sodahead.com/polls/001866365/2541684977_obama_romney_care_xlarge.p ng
Wissen die einfachen Parteisoldaten auch, dass ein Kandidat Romney den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage im November 2012 ausmachen könnte? Wollen sie es überhaupt wissen und würde es ihre Vorwahlentscheidung vielleicht beeinflussen? Offene Fragen.
Perry schafft eine neue online-Universität und wirbt offensichtlich um die gemässigten Republikaner im Video ganz unten. Demnächst wird dann öffentlich gebetet und Tee getrunken.
Sein grösstes Pfund seine Jugendlichkeit , er ist 61! , und volles dunkles Haar.
Details seiner Rücken-OP:
Perry [...] wirbt offensichtlich um die gemässigten Republikaner im Video ganz unten. Demnächst wird dann öffentlich gebetet und Tee getrunken.
Er ist neben Tim "Rohrkrepierer" Pawlenty wohl der einzige Bewerber, der Chancen hat, so einen Spagat ohne schmerzhaften Fall auf den (gerade operierten) Rücken zu überstehen.
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