Ein Freund der Abtreibung war Rick Perry nie, aber jetzt kam ihm (zufällig mitten im Wahlkampf um die Stimmen evangelikaler Wähler in Iowa) eine Erleuchtung: Abtreibung ist in jedem Fall abzulehnen; das hatt er früher etwas anders gesehen:
Perry on Tuesday told potential caucus-goers in Iowa that he has changed his mind. Previously, he believed abortion was acceptable in cases of rape, incest or when the mother's life is at risk. Now, he says abortion in all forms should be prohibited.
Perry told a pastor who asked him about his views that, in his words, "you're seeing a transformation." [...]
Transformations and position evolutions that take place during election season are often called flip-flops in political parlance.
http://www.politico.com/blogs/burns-haberman/
Nicht der einzige Positionswechsel: Perry (der Mann, der wie kein zweiter eisern für die Rechte der Einzelstaaten gegenüber Washington streitet) möchte juristisch vor einem Bundesgericht gegen Virginias Regelung hinsichtlich des dortigen Primaries (von dem er ja ausgeschlossen wurde) vorgehen...
http://politicalwire.com/archives/2011/12/27/perry_challenges_virginia_ballot_ru les.html
Perry hat ein ziemlich aufregendes halbes Jahr hinter sich, am 3. Januar wird er wissen, was es ihm gebracht hat. Er hat in den letzten Wochen viel Geld in Iowa investiert, macht ziemlich engagiert Wahlkampf vor vollen Sälen, in den Umfragen hat er jüngst einen Tick zugelegt. Momentan scheint sein Abschneiden beim Caucus (und damit sein weiteres Schicksal) weit offen zu sein: Irgendwo zwischen dem dritten und fünften Platz wird er mMn wohl durchs Ziel gehen: Mit einer Bronzemedaille könnte er sich dann in South Carolina als der wahre Standartenträger der konservativen Christen darstellen, als Fünfter (hinter Gingrich und Santorum) sähe es wohl zappenduster aus - oops.
Ein bisschen was zu Perrys Wahlkampf in Iowa:
Perry ist noch keineswegs erledigt; in Iowa hat er noch Chancen auf einen Platz auf dem Treppchen, in South Carolina hat er vielleicht noch einmal Gelegenheit zu glänzen. Aber wenn man sich vergegenwärtigt, in welch aussichtsreicher Position er im Sommer zu sein schien, dann ist der gegenwärtige Stand der Dinge doch eine überraschende Enttäuschung für den Texaner, der sich bestimmt nicht hätte träumen lassen, sich in den Umfragen in Iowa mal auf Augenhöhe (wenn überhaupt) mit Rick Santorum wiederzufinden.
Perry hatte zu Beginn seines Wahlkampfs auf sein eingespieltes texanisches Team vertraut und dann später neue Leute - ehemalige Bush-Sherpas - angeheuert; zwischen diesen beiden Fraktionen gibt es nach wie vor große Spannungen. Einige der Neuen gaben nun gegenüber Politico Einblicke in den desolaten Zustand der Perry-Kampagne, den sie im Herbst vorgefunden hatten:
Perry’s steep plunge from frontrunner to butt of jokes was chiefly the result of his own embarrassing verbal stumbles, most notably his insta-classic “oops” moment when he couldn’t recall the names of the cabinet departments he wants to eliminate.
Yet the view of the outsiders who took over Perry’s campaign is that the candidate was set up for failure by an insular group led by Dave Carney, the governor’s longtime political guru, which thought they could run a presidential campaign like a larger version of a gubernatorial race and didn’t take the basic steps needed to professionalize the operation until the candidate was already sinking. […]
In a blistering indictment, sources close to the operation describe a new team that was stunned to arrive in October and find a campaign that wasn’t executing the most rudimentary elements of a modern presidential campaign: no polling or focus groups, no opposition research book on their own candidate to prepare for attacks and debate prep sessions that were barely worth the name.
Lieber Wanli, zu erst einmal vielen Dank für Deine interessanten, kenntnisreichen Beiträge.
Aber je mehr ich glaube zu verstehen um so entsetzter werde ich.
Es kann doch auch in USA (obwohl ich von dem Politikbewußtsein der US-Bürger nie viel gehalten habe) nicht möglich sein, das einer dieser bekloppten Clows Presidentwird.
Es kann doch auch in USA (obwohl ich von dem Politikbewußtsein der US-Bürger nie viel gehalten habe) nicht möglich sein, das einer dieser bekloppten Clows Presidentwird.
Tja, die Schwäche des diesjährigen Bewerberfeldes finde ich ebenfalls erschreckend. Im Sommer hatte ich ja in unserem Markt voll auf Perry gesetzt: Auf dem Papier sah der saustark aus. Und dann betritt der Mann, der seit mehr als zehn Jahren Gouverneur eines der größten Bundesstaaten ist, für ne ganze Zeit Vorsitzender des Verbands republikanischer Gouverneure, die nationale Bühne und kann kaum einen geraden Satz formulieren. Mittlerweile ist er geübter darin, seine Sprüchlein gründlich auswendig zu lernen, aber es kommt immer noch zu Unfällen: Neulich wetterte er gegen (liberale) Richter, konnte sich aber nicht an den Namen der von ihm gebrandmarkten Juristin Sotomayor (immerhin Richterin am Supreme Court) erinnern; erst kürzlich wurde er darüber hinaus nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshof im Fall Lawrence vs. Texas gefragt: Seine eigene Staatsregierung war Partei in dieser wichtigen Gerichtssache gewesen, Perry selbst hatte in "seinem" Buch "Fed up" darüber geschrieben. Aber jetzt danach befragt, konnte er sich nicht mehr erinnern.
Das machte ja den Reiz an Gingrich aus: Der Kerl kann wirklich frei sprechen, weiß viel, auch wenn unsereins seine Positionen wohl kaum teilt. Bei einem Auftritt in Iowa gestern plauderte er locker über das Steuersystem in Hong Kong, das chilenische Modell der Altersvorsorge und Dänemarks Windenergie. Dummerweise ist er darüber hinaus halt ein Kotzbrocken und hat - viel wichtiger - wenig Geld oder Verbündete. Deshalb wird jemand wie Perry, der von seinen Leuten mühsam eine Handvoll Parolen eingetrichtert bekommt, aber über Tonnen von Kohle verfügt, mMn in Iowa vor Newt landen.
Immerhin: Die bizarrste Kandidatin, Michele Bachmann, scheint sich ja wirklich - um einmal den Forumsgiganten E.H. zu zitieren - im "freien Fall" zu befinden; zumindest solche Pappnasen kriegen sie selbst in der GOP offenbar noch aussortiert.
Zumindest twitterte er gerade:
"And the next leg of the marathon is the Palmetto State...Here we come South Carolina!!!"
New Hampshire (wo seine Umfragezahlen knapp über der Nachweisgrenze liegen) wird er wohl nicht mit Wahlkampfauftritten bedenken, sondern sich ganz auf South Carolina konzentrieren.
http://politicalwire.com/archives/2012/01/04/perry_says_hes_still_running.html
Rätsel Perry: Auch seine eigenen Schergen interpretierten seine Ankündigung, seine Kandidatur überdenken zu wollen, genau wie der Rest der politischen Welt als die Floskel, mit der man üblicherweise den Rückzug einläutet. Aber Perry wird uns noch erhalten bleiben, nach ein paar Tagen in Texas an den zwei Debatten am Wochenende in New Hampshire teilnehmen und danach weiterfliegen nach South Carolina. Ob er sich davon wirklich noch die Chance auf einen Sieg verspricht (vielleicht hofft er, dass Gingrich in Kamikaze-Manier Romney versenkt), mittlerweile von Romney angeheuert wurde, um die konservativen Stimmen auf möglichst viele Kandidaten zu verteilen oder einfach noch ein paar Millionen zu verbraten hat - niemand weiß es. Der Kandidat selbst gibt an, morgens beim Joggen habe ihn die Erkenntnis überkommen, dass das der richtige Weg sei. Als Beweis hat er dann gleich ein Foto mitgetwittert.
http://www.politico.com/news/stories/0112/71081.html
http://gop12.thehill.com/2012/01/rick-perrys-strange-decision-to-keep.html
und möglichkeiten zu gewinnen gib es nur
wenn gingrich aus rache mit vernichtet (das traue ich ihm zu) werden die karten neu gemischt - und es gibt keine neuen asse, könige oder auch nur buben mehr...
Tja, ein Artikel in der New York Times hat sich in Perry-nahen Zirkeln umgehört; dort gibt es wohl durchaus noch Leute, die glauben, dass er das Ruder noch rumreißen kann. Genug Geld für einen Wahlkampf in South Carolina hat er wohl auch noch.
http://www.nytimes.com/2012/01/05/us/politics/bachmann-and-perry-withdrawals-wou ld-shift-race.html [nytimes.com]
Auch 538 glaubt, dass er noch eine kleine (!) Chance hat:
http://fivethirtyeight.blogs.nytimes.com/2012/01/05/perry-perry-quite-contrary/# more-21987
Man findet im Netz aber auch genug Artikel, die die entgegengesetzte Auffassung vertreten.
Man muss den Vorwahlprozess mal wieder etwas würdigen: Die raison d'etre für die Sonderstellung von Iowa und New Hampshire war ja immer, dass die (wenigen) Wähler hier monatelang so dicht an den Kandidaten dran sind, dass sie sich eine Meinung jenseits des Medienwahlkampfes mit Hochglanzanzeigen und Soundbites bilden können. Irgendwo zeigt Bachmanns und Perrys schwaches Abschneiden, dass man es tatsächlich schafft, die größten Dumpfbacken auszubremsen, auch wenn sie (wie Perry) Millionen in die PR investieren und sich von hochkarätigen Politstrategen ein zielgruppenoptimiertes Programm auf den Leib schneidern lassen.
Ich bin sehr skeptisch, was Perrys weitere Chancen angeht. Der Typ ist einfach ne Nulpe; weiß kaum, wovon er redet, und noch nicht mal das Reden selbst beherrscht er. Irgendwo hat politisches Marketing auch Grenzen, eine Flasche Liebfraumilch lässt sich nun mal nicht als Grand Cru vermarkten. Aber warten wirs ab - ein Revival wäre ja nicht das erste Auferstehen von den politisch Toten in dieser Vorwahlsaison (siehe Gingrich, Newt).
Vielleicht startet er ja wirklich durch, begünstigt durch die Fehler anderer. Ein Überraschungserfolg in South Carolina (bei den gegenwärtig äußerst niedrigen Erwartungen ist da ja viel Luft nach oben) und er könnte 5 vor 12 doch noch zur großen Romney-Alternative werden. Für mich drängt sich allerdings der Vergleich mit einem fast vergessenen Akteur der letzten Vorwahlsaison aus: Dem ehemaligen Senator von Tennessee Fred Thompson.
http://en.wikipedia.org/wiki/Fred_Thompson_presidential_campaign,_2008
Recht spät ins Rennen eingestiegen, galt der Mann den Sommer hindurch als große Hoffnung eher konservativer und christlicher Wähler (vgl. Perry, Rick). Kaum im Rennen, stellte sich allerdings schnell heraus, dass er in den Debatten kaum was zu sagen hatte, kein überzeugendes Programm vorweisen konnte; in den Umfragen ging's folglich schnell bergab (vgl. Perry, Rick). In Iowa wurde er mit 13% der Stimmen knapp Dritter vor McCain, in New Hampshire war für ihn kaum was zu holen (1,23%; vgl. Umfragezahlen von Perry, Rick). Als Südstaatler wollte er es dann in South Carolina noch einmal wissen (vgl. Perry, Rick) und er holte dort immerhin knapp 16% der Stimmen, wieder ein dritter Platz. Danach strich er die Segel.
Das eigentlich wichtige Rennen in South Carolina spielte sich zwischen dem moderaten und vom Establishment unterstützten John McCain (Sieger in New Hampshire) und Mike Huckabee (Sieger in Iowa) ab, McCain gelang schließlich ein ziemlich knapper Sieg mit 2,5% Vorsprung auf Huckabee. Wäre der konservative Thompson früher ausgestiegen, hätte Huckabee möglicherweise gewonnen...
Gut möglich mMn, dass Geschichte sich doch wiederholt; verkompliziert wird die Analogie natürlich durch Gingrich, der in South Carolina auch noch im Rennen sein mag, Ron Paul, dem wohl mehr als die 3,6% von vor vier Jahren zuzutrauen sind, sowie einem Kandidaten des Establishments (Romney), der sich in South Carolina vielleicht noch schwerer tun könnte als McCain - vor vier Jahren bekam Romney als Vierter nur 15,3%, weit schlechter als sein Abschneiden zuvor in Iowa (2. Platz), New Hampshire (2.), Wyoming (1.), Michigan (1.) und Nevada (1.).
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